Koalition will Abstimmung im Bundestag verhindern
Seit Monaten streitet Schwarz-Gelb über die Abschaffung der Praxisgebühr. Als die SPD-Bundestagsfraktion angesichts der sprudelnden Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits im März forderte, die 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal abzuschaffen, stellte sich die Union dagegen und FDP-Gesundheitsminister Bahr kündigte lediglich an, das Vorhaben prüfen zu wollen. Mittlerweile will auch die FDP die Praxisgebühr abschaffen und damit bei den Wählerinnen und Wählern punkten. Zudem ist die Praxisgebühr für Brüderle, Rösler und Co. Verhandlungsmasse in der festgefahrenen Debatte zur Einführung des Betreuungsgeldes.
Grobes Foulspiel von Schwarz-Gelb
Am 25. Oktober sollte der Bundestag über den Antrag der SPD-Fraktion sowie über die weiteren Oppositionsanträge zur Abschaffung der Praxisgebühr im Bundestag entscheiden. Die SPD-Fraktion wollte, dass dazu namentlich abgestimmt werde, um transparent zu machen, wie ernst es den FDP-Abgeordneten mit ihrer Forderung einer Abschaffung der Praxisgebühr ist. Doch Schwarz-Gelb hat die Anträge im Gesundheitsausschuss blockiert und die namentliche Abstimmung darüber von der Tagesordnung des Bundestages gestrichen.
Thomas Oppermann, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion sieht darin ein „grobes Foulspiel“, weil die Koalition Angst vor Überläufern in den eigenen Reihen habe. Die Koalition könne aber nicht verhindern, dass die SPD einen gleichlautenden Antrag am Donnerstag auf die Tagesordnung setzen und mit einem Antrag auf sofortige Abstimmung verknüpfen werde, kündigte Oppermann an.
In Nordrhein-Westfalen hat unterdessen die FDP gemeinsam mit SPD und Grünen für die Abschaffung der Praxisgebühr gestimmt. Das Land will dazu nun eine Initiative in den Bundesrat einbringen.
Die Streichung der Praxisgebühr würde die Patientinnen und Patienten sofort spürbar entlasten. Die Praxisgebühr hat ihre Steuerungswirkung – weniger Facharztbesuche – verfehlt. Sie ist bei Patientinnen und Patienten sowie durch den enormen Verwaltungsaufwand bei Ärzten und den gesetzlichen Krankenversicherungen äußerst unbeliebt. Aus diesen Gründen und wegen der Überschüsse bei den gesetzlichen Krankenversicherungen will die SPD die Praxisgebühr abschaffen und zum Modell der hausarztzentrierten Versorgung zurückkehren.
Union und FDP wollen über die Abschaffung der Praxisgebühr am 4. November entscheiden. Bisher deutet alles darauf hin, dass die Gebühr im Koalitions-Kuhhandel gegen die FDP-Zustimmung zum Betreuungsgeld fallen werde.
Hintergrund
Die 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal waren 2004 als Kompromiss eingeführt worden. Die Union lehnte das rot-grüne Modell der hausarztentrierten Versorgung ab. Dies hätte bedeutet, dass Patientinnen und Patienten erst zu ihrem Hausarzt gehen, der gegebenfalls einen Facharzt bei der Behandlung hinzuziehen kann und dann eine Überweisung ausstellt. So wollten SPD und Grüne die Besuche in den teureren Facharztpraxen reduzieren. Dieses Vorhaben, hat die Union im Bundesrat blockiert. CDU und CSU wollten eine Selbstbeteiligung der gesetzlich Versicherten von 10 Prozent an allen ärztlichen Behandlungskosten. Um diese enorme Belastung von den Patientinnen und Patienten zu nehmen, haben sich SPD und Grüne mit der Union auf die Kompromisslösung von 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal verständigt.