Foto: Bleicker Eine radikale Änderung der Außenwirtschaftspolitik in Europa und auch in Deutschland fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel im Zusammenhang der Umbrüche in Nordafrika. Freiheit und Verantwortung müssten Leitlinien sein. Weitreichende Reformen will Gabriel auch in der Sozialistischen Internationalen vorantreiben.
Es sei an der Zeit, „klare und gemeinsame Menschenrechtsstandards für den europäischen Außenhandel, gemeinsame Sanktionen und vor allem gemeinsame großzügige Angebote für die sich demokratisierenden Nationen“ zu schaffen, schreibt der SPD-Chef in einem Namensbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“ (Freitag).
Dass die Menschen in Tunesien, Ägypten und Tunesien sich nicht länger bieten lassen wollten, dass ihre Bürger- und Menschenrechte gegen vermeintliche Stabilität und Rohstoffsicherheit für den Westen aufgerechnet werden, müsse Konsequenzen für die europäische und deutsche Politik haben, so Gabriel.
Denn Europa verstehe sich nicht nur als Handelspakt, Europa sei auch eine Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die Verantwortung nicht nur für die eigenen Bürger, sondern auch für seinen Umgang mit allen anderen Menschen in dieser Welt, habe. Daraus folge, dass die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands und Europas zu Diktaturen nie wieder das Maß an Normalität erreichen dürfen, dass sie in Nordafrika und anderswo bereits hatten. Trotz legitimer volkswirtschaftlicher Interessen müsse zukünftig gelten: „Im Zweifel für die Freiheit und gegen die Unterdrückung.“
Die jungen Demokratien gezielt stärken
Gabriel verbindet sein Plädoyer mit konkreten Forderungen:
- Klare und gemeinsame Menschenrechtsstandards für den europäischen Außenhandel.
- Gemeinsame Sanktionen und gemeinsame großzügige Angebote für die sich demokratisierenden Nationen.
- Günstige Finanzkonditionen für die sich demokratisierenden Staaten durch Weltbank und EU.
- Eine stärkere Marktöffnung der EU für die sich demokratisierenden Staaten .
Gerade jetzt müssten europäische Unternehmen in den jungen Demokratien verstärkt investieren, betont der SPD-Vorsitzende. „Unsere Botschaft muss lauten ‚Demokratie: jetzt investieren!“
Das Flüchtlingsproblem mutig lösen
Zugleich plädiert er dafür, dem wachsenden Flüchtlingsproblem nicht nur mit Mitteln der Grenzpolizei zu begegnen, sondern offensive Antworten zu geben. „Wie wäre es mit einem Stipendienprogramm der EU für Ingenieure, Kaufleute, Mediziner, Facharbeiter und Landwirte: wir bieten den jungen Demokratien Aus- und Weiterbildungsplätze an Hochschulen oder in der Praxis unserer Unternehmen. 50.000 in jedem Jahr für ganz Europa. Zugesagt für 30 Jahre, damit niemand in Panik ist, morgen könnten Europas Tore verschlossen werden. Und gebunden an eine Berufsausbildung und ein Studium im Heimatland, damit es sich lohnt, jetzt dort zu bleiben und sich anzustrengen.“
Die SI als Stimme der Freiheit wiederbeleben
Für den SPD-Vorsitzenden ergeben sich durch die Umwälzungen in den Mahgreb-Staaten auch für die Sozialdemokratien Konsequenzen. Die 1889 gegründete Sozialistische Internationale (SI) sei schon lange kein Faktor mehr in der internationalen Politik, bilanziert Gabriel.
Deshalb fordert Gabriel eine umfassende Reform der SI. Das beginne mit dem Ausschluss der Mitglieder, die von Weg der Freiheit abgekommen seien. Es sei „beschämend“, dass Mitglieder meistens erst dann ausgeschlossen würden, wenn in ihrem Land die bereits Demokratiebewegungen gesiegt hätten.
Der Chef der Deutschen Sozialdemokratie kündigt an, gemeinsam mit dem SI-Vorsitzenden Giorgos Papandreou zügig eine Reform der Sozialistischen Internationale anzugehen.